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Ein wilder Ritt

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Da Manuels letzter Beitrag eher einem Buch ähnelt werde ich versuchen mich diesmal kürzer zu halten.

Unser Plan war eigentlich direkt von Kambodscha in den Norden Vietnams zu reisen, aber die teuren Flugpreise haben uns einen Strich durch die Rechnung gemacht. Daher haben wir herum getüftelt und uns eine billigere aber längere Route überlegt.

Also zurück nach Bangkok, wo alles begann: So gesagt schließen wir den ersten Kreis unserer Reise. Es ist irgendwie ein heimeliges Gefühl für mich auf der selben Strecke wie vor dreieinhalb Monaten zu fahren. Damals noch völlig perplex von den unendlich vielen neuen Eindrücken. Es ist verrückt so manche Häuser und Straßen wieder zu erkennen, obwohl ich nur einmal daran vorbei gefahren bin. Aber diesmal mit einem ganz anderen Blick, einem mit mehr Detailreichtum. Wie viel mir damals entgangen ist, erstaunlich. Es scheint, als hätte ich mich an die Straßen Asiens mehr gewöhnt. Im Vergleich zu damals fühle ich mich irgendwie sehr verändert. Ich habe das Gefühl reifer geworden zu sein, mit mehr Erfahrung und einem weiteren Horizont. Inzwischen bin ich mit viel mehr Ruhe und Gelassenheit unterwegs und mit dem Vertrauen darauf, dass alles seinen Weg findet.

Es bleibt uns jedoch nur eine Nacht um auf den selben Straßen zu wandern und die damaligen Erinnerungen Revue passieren zu lassen. Zugegeben habe ich mich schon sehr auf das echte Street Food Pad Thai gefreut. Obwohl die Länder nebeneinander liegen, ist es doch erstaunlich wie unterschiedlich die Küche trotz der nahen Lage zueinander ist. Daher schlemmen wir genüsslich gleich drei Teller von diesem ersehnten Gericht hinunter. Ach, wie lecker, aber die belebte Khao San Road habe ich trotzdem nicht vermisst.

pad thai

Dann geht es für uns zum zweiten Mal nach Vietnam, diesmal nach Hanoi. Dieses Land ist für uns Liebe auf den zweiten Blick. Nicht als hätte es uns beim ersten Mal gar nicht zugesagt, aber wir sind einfach mit einer anderen Erwartungshaltung eingereist. Jetzt kannten wir ja bereits die Sitten und Gebräuche. Zumindest beinahe, wir haben trotz der kurzen Pause schon wieder viel vergessen. Zum Beispiel, dass es hier keine Tuktuks gibt, überall immer Menschen sind und der Verkehr der Wahnsinn ist. Aber zum Glück können wir uns schnell an den Rhythmus der Straßen erinnern.

Für alle zukünftigen Reisegäste nur eine kurze Einführung: wie gesagt viel los, jede Stadt oder jedes Dorf ist voll!, selten findet man einen Platz für sich, das Landesgericht ist eine Suppe, die Leute lachen nur selten zurück, aber es verbirgt sich viel Schönheit hinter der Fassade… man muss nur genau hinschauen. Achja und der Gehsteig ist hier nicht für Fußgänger sondern für parkende Mopeds gedacht.

Man muss einfach einen genaueren Blick darauf werfen. So erkennt man die Gelassenheit der Menschen (auch im Verkehr) und kann, nach ein paar Sekunden Augenkontakt, auch hier das Lächeln finden.

Hanoi ist da nicht anders. Das besondere an der Hauptstadt, neben den schmalen hohen Gebäuden mit französischem Einfluss, sind die Themenstraßen in der Altstadt. Das bedeutet, dass es in der jeweiligen Straße alles, aber nur von einer Sache gibt. So schlendert man durch eine Gasse voll mit Dingen die ein Bastlerherz höher schlagen lässt und hinter der nächsten Kreuzung entdeckt man dann einen Sonnenbrillenladen gereiht an den nächsten.

Wie es für Vietnam üblich ist, gibt es natürlich unzählige spezielle Cafés. So besuchen wir eines voll mit Post it’s und jeder Gast darf sich darin auf einem davon verewigen.

Einige andere Cafés liegen direkt an der Train Street. Wie der Name bereits vermuten lässt, fährt hier einmal am Tag eng an den Häusern der Zug vorbei. Bis vor einem Jahr durften die Touristen hier noch Kaffeehaus-hopping betreiben. Doch die Regierung (oder wer auch immer) hat es als zu gefährlich eingestuft und so für die neugierigen Touristen gesperrt. An den Eingängen wurden daher Securitys positioniert, die den grimmigen Blick und die Unfreundlichkeit perfektioniert haben und so jeden verscheuchen. Für die ganzen Café Besitzer ist dieser Zustand jedoch suboptimal und so kann man sagen, wo ein Wille ist, da auch ein Weg. Eine Taktik aus Schmiergeld und die Touristen zu sich winken reicht aus und so kommen auch wir durch die Kontrolle. Leider fährt bei uns kein Zug durch, aber dennoch eine interessante Erfahrung.

Da wir nun fast vier Monate jedes unserer Abenteuer zusammen bestritten haben und das auf teilwiese engsten Raum, beschließen wir, dass der Tag gekommen ist. Jeder erkundet die Stadt einmal für sich.

Mein erstes Ziel an meinem Tag: der Tempel der Literatur, 700 jahrelang diente er als Universität zu Ehren des Konfuzius und seinen Lehren. Der im Jahre 1070 erbaute Tempel dient heute als Hochburg für Kinder, um dort für gute Noten zu beten. Und so tummeln sich hier täglich mehrere Dutzend Schulgruppen. Für mich mit Audioguide bewaffnet der reine Wahnsinn, denn für die lieben Kleinen bzw. Großen ist es gang und gebe jeden Touristen mit einem lauten und schrillen „Hello!!“, zu begrüßen. An diese Regel hält sich fast jedes Kind, welches den Mut aufbringt die Aufmerksamkeit der fremden Menschen auf sich zu ziehen und das sind überraschend viele! So, ohne irgendeine Info vom Audioguide zu hören, grüße ich jeden in einer so hohen Frequenze wie noch nie in meinem Leben zurück. Was bis jetzt am nähesten für mich heran kommt, ist mein erster Ausflug in die große Stadt als Kind vom Land, wo ich noch nicht wusste, dass man nur im Ort die Leute grüßt. Fast schon verzweifelt von der im Sekundentakt stattfindenden Unterbrechung meines Audioguides, bin ich auf der Suche nach einem ruhigen Platz und verstecke mich vor den Gruppen hinter einer Steinmauer am Boden um mich endlich durch die Informationen zu hören. Nach einer Stunde tauche ich mit schmerzenden Rücken wieder auf und stoße gleich wieder auf unzählige Kinderstimmen.

Obwohl wir einen Tag ohne den anderen machen bin ich kaum alleine. Ich frühstücke mit einem Amerikaner, trinke mit den Vietnamesen Smoothies und lunche mit einem Engländer. Nur den Kaffee am Nachmittag habe ich nur für mich und mein Buch.

Manuel verbringt den Vormittag mit seinem Buch und den gesamten Nachmittag in einer Buchhandlung, ganz alleine und nur für sich. Er genießt jeden Moment davon.

Wie es wohl zu erwarten war, treffen wir uns natürlich wieder und berichten von unseren Abenteuern.

Nach den ersten Eindrücken von Hanoi beschließen wir aufgrund günstiger Wetterbedingungen mit dem Bus nach Ha Giang zu fahren. Warum gutes Wetter?

Unser Plan ist es, uns für vier Tage auf ein Moped zu schwingen und den 400 km langen Ha Giang Loop auf unserer Liste abzuhacken. Doch bevor wir das machen können nehmen wir uns davor noch einen Tag Zeit um zu entscheiden wie wir den Loop überhaupt machen wollen.

Wie es beim spontanen Reisen nun Mal der Fall ist, ist das kurzfristige Planen ein großer Teil davon. Wir entscheiden uns den Loop mit einer Gruppe zu absolvieren. Es gäbe die Möglichkeit den Weg auf eigene Faust zu machen, aber nach den täglichen und ständigen Überlegungen was wir wie machen sollen, nehmen wir diesmal die gemütlichere Variante. Die Route ist bereits entschieden, die Übernachtungen gebucht, das Essen vorbestellt und was für uns bleibt ist nur noch die Fahrt zu genießen und hinter dem Guide zu bleiben.

Es muss nur vorher angegeben werden, ob man selber den Lenker in der Hand haben oder sich lieber an einen Fahrer klammern möchte. Wir entscheiden uns in gewisser Weise für beides, da wir ein Moped gemeinsam nehmen. So können wir uns abwechseln beim Staunen über die Landschaft und beim Herausfinden, wie sich das semi-automatic Moped am besten fahren lässt.

Es ist wirklich schwer eine so atemberaubende Landschaft in Worte zu fassen, daher lasse ich hier lieber Bilder sprechen:

Ich kann nur eines sagen, an manchen Stellen konnte ich, so überwältigt von der Schönheit, gar nicht aufhören der Welt mein eingefrorenes Grinsen zu zeigen.

Unsere Gruppe besteht aus 10 Mitreisenden und 6 Fahrern. Wir haben einen riesen Spaß gemeinsam, besonders Abends, wenn es heißt auf den Tag anzustoßen mit dem lokalen „Happy water“. Dieses Wasser ist eigentlich Reisschnaps, aber mit dem Alkoholgehalt ist es nicht überraschend, dass es einen glücklich machen soll. Abends teilen wir Geschichten, singen Karaoke, tanzen und stoßen des öfteren mit einer neuen Runde Happy Water an. Danach verkrümeln wir uns in unser gemeinsames Matratzenlager und dort lernt man sich Schulter an Schulter noch besser kennen.

Es ist spannend und aufregend durch die Bergdörfer zu fahren. Besonders erstaunlich in welchen Holz- bzw. Steinhütten die Menschen hier leben. Auf den steilen Hängen wird hier angebaut und so wird jeder Meter der zur Verfügung steht genutzt. Alle helfen bei der Arbeit am Feld mit, vom Kind bis zur alten buckeligen Oma. Egal welches Alter, sie tragen alles Mögliche gekonnt die Hänge hoch und runter. Und beinahe jeder Einheimische ist hier in die bunten traditionellen Kleider gehüllt, so sehen sie aus wie Farbtupfer in der sonst einfärbigen Landschaft. Die wenigen die sich ein Moped leisten, be-/überladen diese mit den unmöglichsten Gegenständen und Lebewesen.

Nicht nur bei den holprigen Stellen waren wir im Nachhinein sehr froh, die Guides dabei gehabt zu haben, die diese Strecken zu jeder Jahreszeit bestreiten.Bei den Straßenverhältnissen ist von perfekt zu durchwachsen wirklich alles dabei. An dieser Stelle sind die Eltern froh, erst später zu erfahren in welches Wagnis wir uns hier gestürzt haben. Aber keine Sorge, alles ist gut gegangen Mama.

Nach den 4 Etappen mit jeweils um die 100 Kilometer pro Tag waren wir sehr froh unserem Hintern endlich eine Pause zu gönnen.

Es war auf jeden Fall ein wilder Ritt. Das kann man auch über die 11 stündige Busfahrt nach Cat Ba am selben Tag der Rückkehr sagen. Mehr dazu wieder von Manuel.

Bis zum nächsten Mal meine Lieben

Eure Juliane